Ausstellungsansicht Foto: Kathrin Tillmanns

Kathrin Tillmanns „Ohne Titel“
3 Bildtafeln 100cm x130cm
UV-Digital-Druck, Adhäsionsfolie molco transparent

ortsbezogene Arbeit für das Carl-Brandts Haus
Zentralbibliothek der Stadt Mönchengladbach

Ortsbezogene Arbeit Carl-Brandts Haus – Zentralbibliothek Mönchengladbach

Im Jahr 1926 wurde der Stadt Mönchengladbach in Form einer Schenkung das Grundstück der heutigen Zentralbiblikothek mit einem damals „plaisartigen Gebäude am Kaiserplatz“ durch Reinhold Brandts, Sohn von Carl und Clara Brandts im Andenken an seine Eltern der Stadt Mönchengladbach vermacht. „…wobei die Verpflichtung übernommen wird, es unter Beachtung der durch den Schenkungsvertrag vom 17. März 1926 festgelegten Auflagen als „Karl Brandts Haus“ zur würdigen Unterbringung der Stadt-Bibliothek, sowie zu Archiv- und Museumszwecken zu verwenden und zu erhalten.“1

Dem Gebäude der heutigen Zentralbibliothek Mönchengladbach sind mehrere Schichten von Ge-schichte innewohnend. Diese Schichten werden durch ganz unterschiedliche Bezüge zu Ort und Zeit, zur Mönchengladbacher Stadtgeschichte und diese lange massgeblich prägende Textilindustrie bestimmt. Sie verweisen ebenso auf gesellschaftliche Umstände wie auf Lebens- und Arbeitsbedingungen – die über die Zeit eine Änderung erfahren haben. Sie sind zunächst nicht alle sichtbar, aber dem Ort inhärent.

Dies zum Anlaß nehmend entstand eine umfassende Recherche in unterschiedlichen Datenbanken, in Zeitungsarchiven, im Exlibriszentrum Mönchengladbach und im Stadtarchiv. Hinzu kam ein Austausch mit dem Geschichtsverein, ein Treffen mit der Leitung der Zentralbibliothek und der Leitung des Stadtarchivs Mönchengladbach.

Nach Auswertung der Recherche und mehrmaliger Begehung des neu interpretierten Baukörpers unter Berücksichtigung der denkmalpflegerischen Auflagen entstand sehr früh ein Konzept im Rahmen der Idee Kunst am Bau – dh. eine gestalterische Arbeit im Dialog mit den vorhandenen architektonischen Bestimmungen zu entwerfen und umzusetzen.

Hierzu wurde als Ort der Bereich der Fensterfront gewählt, die ursprünglich im architektonischen Entwurf von 1964 als Teil der Außenfassade des Bücherturms gestaltet worden war und nun zum verbindenden Teil im Inneren des Gebäudes geworden ist. Sie verbindet im Ober- und im Erdgeschoß das neu entstandene Licht duchflutete Foyer mit Bibliotheksräumen, die zur Recherche und zum Lesen einladen. Die Fenster an sich behielten ihre 1964 gestaltet Anmutung – jeweils eine große Scheibe gefasst in Aluminiumprofile die innerhalb einer aufwändigen prägnanten massiven Laibung aus Marmor platziert sind. Im aktuellen Foyer ist die ehemalige Fassade aus glasierten Klinkern aufwendig restauriert wurden. Sie weist Spuren der Zeit auf, die durch Witterungseinflüsse oder Beschädigungen entstanden sind und sich in ihrer fast monochromen Eleganz an die benachbarten Materialien wie Sichtbeton, Edelstahl, Glas und Linoleum anlehnen.

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Westdeutsche Landeszeitung : Gladbacher Volkszeitung und Handelsblatt : allgemeiner Anzeiger für den gesamten Niederrhein : die Niederrheinische Heimatzeitung vom Mittwoch, 14.04.1926

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Das ursprünglich Bild welches die Basis der drei nun im Carl-Brandts Haus zu sehenden Porträts bildete, ist eine fotografische Aufnah-me aus dem Jahr ca. 1905. Sie befindet sich als Digitalisat im Stadtarchiv Mönchengladbach und wird im Buch „Textil Industrie Kultur in Mönchengladbach“ 1 im Beitrag „Kinderarbeit in der Textilindustrie Mönchengladbachs“ von Marianne-Bechhaus-Gerst verwendet. 2

Dieses Bild bildet ein Scharnier zwischen unterschiedlichen zeitlichen Kategorien und bringt diese und ihre Inhalte auf subtile Weise in den neu bestimmten Baukörper ein. Dies auszuführen ist an dieser Stelle zu umfangreich – so folgt hier nur eine knappe Auszählung: Kulturelle Kategorien: Kindheit – Industrie – Gesellschaft – Arbeit – Bildung, Mediale Kategorien: Fotografie – Buchdruck – Buch – Archiv – Dokument Das heute vielleicht als Expanded-Bibliothek zu beschreibende Haus der Zentralbibliothek bietet vielmehr als die Möglichkeit Bücher zu erfahren, zu recherchieren, zu lesen – es ist ein Ort der Bildung in ganz unterschiedlichen und möglichen Formen – er ist modern und zeitgemäß. Was mitschwingt ist die Zeit und die Bedingungen in welcher der ökonomische und ideelle Grundstock hierfür gelegt wurde – Ende 19.Jh. / Anfang 20.Jh. Es sind zudem auch jene einzelnen Menschen dieser Zeit, die in der Textilindustrie in Mönchengladbach gearbeitet haben – die dieses Haus mit bestimmen. Carl Brandts (1833-1913) war Textilfabrikant und Bruder von Franz Brandts (1834-1914), dem Gründungsmitglied und ersten Vorsitzenden des Volksvereins für das katholische Deutschland (1890-1933). 3 Die transparenten, durch das Druckraster des reproduzierten Buchdrucks, und durch die Pixel des digitalen, vergröberten und vergrößerten Porträts blicken seine Betrachter direkt an. Es entsteht eine Verbindung durch die Zeit. Die abgebildeten Personen erscheinen erst wahrnehmbar ab einem bestimmten Betrachtungsabstand – nähert sich der Betrachter ihnen, entziehen sie sich in eine Undeutlichkeit. Der Abstand ist wichtiges. Zudem ist es dem Betrachter möglich seinen Standpunkt zu ändern und hinter die Bilder zu treten. 

1 Boland, Karl / Schürings, Hans – Textil Industrie Kultur in Mönchengladbach Vom einstigen rheinischen Manchester … der Baumwollindustrie Verlag B.Kühlen

2 vergl. hierzu die erwähnten Quellen zb. Thun, Alphons: Die Industrie am Niederrhein und ihre 3 Arbeiter. 1: Die linksrheinische Textilindustrie Leipzig : Duncker & Humblot 1879

3 https://www.moenchengladbach.de/de/leben-in-mg/stadtbibliothek/oeffnungszeiten-der-4 stadtbibliot/ carl-brandts-haus aberufen 28.08.2023 18.00 Uhr 

 

Westdeutsche Landeszeitung : Gladbacher Volkszeitung und Handelsblatt : allgemeiner Anzeiger für den gesamten Niederrhein : die Niederrheinische Heimatzeitung

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Mittwoch, 14.04.1926 

Freitag Stadtverordneten-Versammlung. Die entscheidungsschwere Etatsitzung. M.Gladbach, 14. April 1926. An erster Stelle der 18 Punkte fassenden Tagesordnung steht die Annahme eines Geschenkes. Es handelt sich um die Schenkung der Eheleute Reinhold Brandts, bestehend aus dem Hausgrundstück Kaiserstraße 47, wobei die Verpflichtung übernommen wird, es unter Beachtung der durch den Schenkungsvertrag vom 17. März 1926 festgelegten Auflagen als „Karl Brandts Haus“ zu würdigen Unterbringung der Stadt-Bibliothek, sowie zu Archiv- und Museumszwecken zu verwenden und zu erhalten. Es wird sodann der vom Oberbürgermeister zu erstattende Jahresbericht über den Stand und die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten folgen, aus dem wir naturgemäß erst in der Samstagsausgabe unseren Lesern Näheres werden mitteilen können.

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Donnerstag, 15.07.1926

Aus M. Gladbach. * Herr Reinhold Brandts .
Nach langem schweren Leiden verschied in vergangener Nacht in einem Krankenhause zu Köln der Kaufmann Herr Reinhold Brandts. Geboren als Sohn des verstorbenen Fabrikbesitzers und langjährigen Handelskammermitgliedes Karl Brandts, trat er nach seiner Vorbildung in das Geschäft seines Vaters ein, wo er sich jahrelang eifrig betätigte. Vor einigen Jahren übernahm er die Leitung der Weinbrennerei Therstappen. Der Verstorbene stand noch in verhältnismäßig jungen Jahren, hatte sich aber schon reichliche Sympathien in weiten Kreisen erworben. Die Gesellschaft Casino wählte ihn, als Herr Kommerzienrat Müller-Hoberg das Amt als Präsident derselben niederlegte, vor mehreren Jahren zu ihrem Vorsitzenden; dem Verwaltungsrat der Luise Gueury-Stiftung gehörte er als Mitglied an. Mit einer Großtat überraschte er unlängst seine Vaterstadt, indem er ihr in hochherziger Weise sein Elternhaus, das palaisartige Gebäude am Kaiserplatz, das ihm als Erbteil zugefallen war, für Museums- und sonstige kulturelle Zwecke lastenfrei übereignete. Nun steht die Bürgerschaft an der Bahre dieses edlen Mitbürgers, von dessen Bürgertugenden sie noch so viel Mitarbeit am Gemeinwohle hätte erwarten können. Er ist von Gott heimberufen worden in ein besseres Jenseits. Wir wollen sein Andenken ehren immerdar. R.i.p.

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Mittwoch, 10.11.1926
Freitag Sitzung der Stadtverordneten-Versammlung M.Gladbach

An 6. Stelle der Tagesordnung sollen sich die Stadtverordneten mit der erforderlichen Instandsetzung des Karl-Brandts-Hauses einverstanden erklären und für die Instandsetzung sowie die Neueinrichtung die Kosten im Gesamtbetrage von 24 000 M aus laufenden Mitteln bewilligen. Die Ausgaben sollen auf Kasse Museum verrechnet werden unter entsprechender Erhöhung des für 1926 vorgesehenen Zuschusses. In dem von Kaufmann Reinhold Brandts der Stadt geschenkten Hause, Kaiserstraße 47, zu dessen Annahme die staatliche Genehmigung am 15. Juli 1926 erteilt wurde, soll ein Teil der Stadtbibliothek und das naturhistorische Museum untergebracht werden; vorerst sind noch Reparaturarbeiten an Dach und Fach notwendig, auch sollen für die Bibliothek ein Wandschrank, kleine Tische usw., ferner für das Museum ebenfalls entsprechende Schränke, beschafft werden. Die Luftheizungsanlage des Hauses bedarf einer durchgreifenden Instandsetzung.

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Donnerstag, 19.10.1933

„Die Kante“: Morgenfeier und Ausstellung. M.Gladbach, 18. Oktober 1933.

Zur Eröffnung einer neuen Kunstausstellung, die ausschließlich der Porträtmalerei und Porträtplastik einheimischer Künstler gewidmet ist, fanden sich Sonntagvormittag im Karl-Brandts-Haus die Freunde der „Kante“. Die Morgenfeier erhielt durch den Vortrag einiger Chöre durch den Gladbacher Frauenchor unter Leitung von Frau Elisabeth Albers den Charakter erhebender Feierlichkeit. Kunstmaler Karl Cohnen, der Führer der„Kante“, forderte in seiner Ansprache die Mithilfe aller für das notleidende Künstlertum im Sinne der winterlichen Rothilfe und im Bewußtsein der hohen Kulturaufgaben der deutschen Kunst. Die„Kante“ verfolge in ihrer Arbeit das Ziel, den heimischen Künstlern zu helfen und von ihrem Schaffen Zeugnis zu geben, zugleich aber auch beste Erziehungsarbeit zu leisten für das künstlerische Denken und Werken im Aufbau der künstlerischen Kultur Deutschlands überhaupt. Die Ausstellung, die sodann eröffnet wurde, offenbart eifriges und strenges Bemühen um die malerisch-wirkungsvolle Gestaltung von Menschen, die dem Maler oder Bildner zum Zwecke einer künstlerischen Produktion Gehalt und Stoff in einer Weise geben. Immer ist die Schöpfung des Porträts als Wunsch oder als Auftrag für den Künstler, etwas Fragenreiches und Schweres gewesen; entweder lebt das Bestreben, den zu malenden Menschen in seinem wesentlichsten Charakterzug ins Bild zu bannen; oder aber es geht allein um die Photographie in Farben: und das ist dem Ursprung und dem Sinn des Kunstwerkes zuwider. So wird einmal die Technik über den Gehalt, über die innere Schwere und das tiefere Sagen eines Menschen den Sieg davontragen, und das Resultat ist eine deutliche und lebensechte Photographie; oder aber die Anstrengung eines innerlich gebildeten und bildenden Künstlers formt nicht nur das Gesicht des zu malenden Menschen, das Sichtbare, nach alten Gesetzen der Natur und des natürlichen Sehens, sondern wächst vom Außen ins Innere hinein. von der Schale in den Kern, von der Höhe in die Tiefe, und der Erfolg ist das künstlerische Werk, wenn sich die Tiefe des Gehaltes mit der reichen Entwicklung und Durchführung der Form paart. Im Reiche der vielen Möglichkeiten, nach Fähigkeit und persönlicher, innerer Begeisterung der Künstler Bildnisse zu formen, hält sich die Ausstellung der„Kante“ und bietet trotz der Einförmigkeit des Stoffes ein buntes Bild eifrigen Schaffens. Des verstorbenen Alfred Faulbaum „Selbstbildnis“ ist in der Haltung einfach, geradlinig und vornehm, in der Farbe etwas blaß und andeutend; die zeichnerische Grundlage ist der Natur verpflichtet. Die Kinderbilder aus Hessen gehen dem Versonnenen bedachtsamer Seelen nach, die mehr in sich verschlossen, als aufgeschlossen irgend einem Traum oder einem Erlebnis nach grübeln. Die farbliche Durchbildung erscheint primitiv, die Haltung steif und einfach; doch liegt gerade in der vordringlich betonten Einfachheit eine malerische Wirkung. W. Jansen-Joerde versucht mit neuen Klängen der Farbe allerlei an Charakteristischem herauszuheben; gut gelungen ist das einheitlich durchgeführte „Porträt K.H.“, im Ausdruck kräftig und stark, ohne aufdringlich zu sein. Das Bildnis, das Robert von Kalkreuth zeigt, betont durch den malerischen Aufbau von gelb und schwarz die Wirkung der Gegensätze und erreicht auf diese Weise, daß ein Bild entsteht, das durch die Qualität der technischen Durchführung und die farbliche Durchbildung hervorleuchtet. A. Tepplers „Alter Mann“, zeichnerisch gut, ist dem Naturalismus verbunden. Karl Cohnen zeigt eine Reihe Porträts. die, wirklichkeitsecht und lebensnahe, in Farbe und Auffassung gefallen können; in erster Linie seien das hübsche „Kinderbildnis“ und das ausdrucksstarke Werk „Der Blinde“ genannt. „Inder Pattack“ und „Chinese Gitschena“ wirken hauptsächlich durch die Herausstellung der Gegensätze der Farben. Man beachte die seidene Geschmeidigkeit des Gewandes im letztgenannten Bild. „Das Bildnis meiner Frau“ von F. von Oehlen ist lebendig faßbar. Die Plastiken von Bartholomäus Marks verstärken wiederum den Eindurck starker Begabung, die kräftig und energisch den wesentlichen Zügen eines Menschenkopfes nachgeht. Lorenz Koerfer bemüht sich mit Erfolg um die plastische Formung einiger Frauenköpfe, die ein beinahe stilisiertes Gepräge erhalten. -ch.