Quelle: Rheinische Post; Fotograf: Detlef Ilgner

Quelle: Rheinische Post, Fotograf: Detlef Ilgner

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Videodoku: Jonas Gruhlke

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ausstellung // projekt

Geschlossene Gesellschaft – Gladbacher Künstler und Sammler für die Widereröffnung des Alten Museums

1976 konfrontierte Johannes Cladders, damaliger Direktor des Städtischen Museums Mönchgengladbach, die Besucher der Räume auf der Bismarckstraße 97 mit der Ausstellung „Lacrimae – La Crime“ von Jonas Hafner. Die Arbeiten des 1940 in Augsburg geborenen Künstlers erinnerten in Form einer fotografischen Chronik sowie weiterer Relikte an den wenige Jahre zuvor stattgefundenen Abriss der neugotischen Dominikanerkirche in Düsseldorf, die einem Bankneubau weichen musste, und gemahnten auf diese Weise des damit verbundenen kulturellen Verlustes.
Cladders bewies mit dieser Ausstellung erneut den Mut, kritische, unbequeme und ungewohnte Themen zu präsentieren, die das als „Vierzimmerwohnung“ von Alfred Schmela bezeichnete kleine Museum in Mönchengladbach von 1967 an, dem Amstantritt Cladders`, mit Ausstellungen von Beuys, Bernd und Hilla Becher, Darboven, Buren, Richter und zahlreichen weiteren, inzwischen international bekannten Künstlern, in den Fokus des Kunstbetriebes katapultierten. Mit der Ausstellung Jannis Kounellis, einem der wesentlichsten Vertreter der Arte Povera, endete 1978 der von Johannes Cladders geleitete Ausstellungsbetrieb auf der Bismarckstraße, um dann ab 1982 im neuerbauten Städtischen Museum Abteiberg wieder fortgeführt zu werden.

Das Alte Museum indessen blieb nicht lange ungenutzt. Die Räume des geschichtsträchtigen Hauses, dass der Stadt Mönchengladbach bereits 1924 von dem Verleger Oskar Kühlen mit der Auflage seiner kulturellen Nutzung gestiftet worden war, und seitdem mit kriegsbedingten Unterbrechungen die Sammlungen der Stadt beherbergte, fanden in dem 1989 gegründeten Trägerverein „BIS-Zentrum für offene Kulturarbeit e.V.“ neue, engagierte Akteure. Unter Nutzung des seit 1928 ebenfalls im Besitz der Stadt befindlichen Nachbarhauses, Bismarckstraße 99, erarbeitete der Verein seit dem ein breitgefächertes Programm für Erwachsene, Kinder und Jugendliche, das neben Theater, Film, Literatur und Musik auch eine ausgereifte Ausstellungssparte aufweist. So blieb das ehemalige Ausstellungshaus auch weiterhin eine Plattform für Künstler aus Mönchengladbach sowie der Region, und damit seiner stiftungsgebundenen Nutzung treu, bis es am 13.04.2008 mit dem Ende der Ausstellung „Veritas ad speciem“ von Ilka Sulten, für die Betreiber mehr oder weniger überraschend, abermals seinen Ausstellungsbetrieb beenden musste. Grund für die Schließung waren (und sind) Bedenken der Bauaufsichtsaufsichtsbehörde der Stadt Mönchengladbach, die nach mehr als einem halben Jahrhundert großer Besucherströme die Statik des Gebäudes nach einer voran gegangenen Ausstellungseröffnung mit mehreren hundert Besuchern überprüfen ließ. Tatsächliche Schäden an den tragenden Architekturteilen waren bei diesen Untersuchungen nicht zu ermitteln, doch entwickelte sich aus dem Prüfungsverfahren das wenig überraschende Ergebnis, dass die Auslegung der Architektur vom Ende des 19. Jahrhunderts bezüglich der Traglasten mit den Bauvorschriften für einen Museumsbetrieb im Jahre 2008 nicht mehr übereinstimmen konnte. Die Konsequenz war die Anordnung besagter Schließung des Hauses für öffentliche Veranstaltungen, gekoppelt an einen Sanierungsplan der Bauverwaltung. Dieser wurde als Totalumbau mit Kosten in Höhe von 1,5 Mil. € angesetzt – eine Summe die den beengten finanziellen Handlungsspielraum der Stadt eindeutig überschritt.

Seit dieser Zeit gibt es verschiedene Bemühungen seitens des Trägervereins, den Ausstellungsbetrieb des BIS-Zentrums über das Label „Zwischenstation“ an verschiedenen Orten der Stadt aufrecht zu erhalten, da sich eine Lösung der Sanierungsfrage bis heute nicht abzuzeichnen scheint. So schildert Hans Jürgen Zarm, Sprecherrat des BIS-Zentrums, in einem Gespräch die Situation folgendermaßen: „Die Summe von 1,5 Mil. € wirkte als politische Palliativformel, da man – wie es von Seiten der politischen Spitze hieß – das Problem ja „stemmen“ wolle, das finanzielle Gewicht aber für den städtischen Haushalt nicht zu „tragen“ sei. Die Szene war damit gestaltet und zugleich gerahmt für das politische Auftreten einer veränderten Mehrheit nach der Kommunalwahl 2009, die sich als Sanierung einer Politik des Stillstandes der bisherigen schwarz – gelben Koalition verstanden wissen wollte, quasi als Ampelkoalition einer Gestaltungsmehrheit der Bewegung und Entwicklung. Die Crux dieses politischen Gestaltungswillens aber war, entscheiden und handeln zu müssen, und das in einem Optionenspiel, in dem die städtische Vermögensverwaltung die „Wegsanierung“ des Problems durch Veräußerung der Immobilie an private Investoren empfahl, die Bauverwaltung ihre Kostenrechnung als alternativlos behauptete, und die Option Kultur für die politische Mehrheit jenseits des Kulturausschusses nur ihre übliche Funktion hatte, eine leichtgängige Einsparmöglichkeit zu sein.“

„Allerdings“, so berichtet Zarm weiter, „wuchs in diesen Jahren 2010 und 2011 anscheinend auch die Einsicht, dass es politisch unvorteilhaft ist, eine Schenkung an die Stadt, die das Gebäude verbunden mit seiner kulturellen Nutzungsbestimmung darstellt, nicht zu respektieren. Inzwischen, im Jahr 2012, hat der kulturelle Trägerverein mit Hilfe privater Architekten und Statiker das Kostenvolumen in Frage stellen können und die Bauverwaltung hat den Kostenumfang der Sanierung auf 750.000 € revidiert. In diesem Jahr hat ebenfalls die Gestaltungsmehrheit der Ampelkoalition im Kulturausschuss einen Antrag an den Rat eingebracht, in dieser Höhe eine Haushaltstelle für das Jahr 2016 einzurichten. 2014 sind die nächsten Kommunalwahlen mit vielleicht wiederum veränderten Mehrheiten. Zudem sieht der Stärkungspakt zwischen der Stadt und dem Land in diesem Zeitraum große städtische Einsparverpflichtungen vor.“

Vor diesen Szenarien scheinen folglich die Aussichten, das alte Museum auf der Bismarckstraße zu erhalten, gering und es ist Eile geboten, das Bild vom ehemals Aufsehen erregenden Ausstellungsbetrieb auch weiterhin zu bewahren. Grund genug für die Mönchengladbacher Künstler Christiane Behr, Soheyla B. Fahimi, Christa Hahn, Wolfgang Hahn, Ulle Krass, Ulrike Lua und Kathrin Tillmanns, unter dem Titel „Geschlossene Gesellschaft“ ein Projekt für jene Räume zu konzipieren, das in gewisser Hinsicht an die spektakulären Ausstellungen von Johannes Cladders anknüpft. Die Organisatoren konnten vier Privatsammler aus Mönchengladbach und Umgebung gewinnen, die für vier Räume des Hauses noch nie oder nur selten gezeigte Werke aus ihren Sammlungen zur Verfügung stellen. Merkmal der Auswahl ist der direkte Bezug der Künstler zum Alten Museum oder eine enge Anbindung an die Stadt Mönchengladbach. So finden sich aus der Sammlung Hollweg Arbeiten von Thomas Rentmeister, dessen Arbeiten seit 1995 im Museum Abteiberg zu sehen sind, Werke von Victor Sanovec, 1988 mit Bildern und Aquarellen auf dem Abteiberg vertreten, und Ferdinand Kriwet, dessen Skulptur „Lesewald“ von 1980/81 seit 2004 in der Nähe des Museums einen Platz im Außenraum gefunden hat. Aus der Sammlung Neumann stammt ein umfangreiches Konvolut von Arbeiten Georg Ettl`s, der bereits 1977/78 im Städtischen Museum auf der Bismarckstraße vertreten war und dessen knapp 10 Meter hohe Skulptur „Frau“ seit 2002 weithin sichtbar das Stadtbild prägt. Überdies tritt Johannes Cladders in der Ausstellung als Künstler unter seinem 1956 angenommenen Pseudonym „C wie Cäsar“ mit mehr als fünfzig hintersinnigen Miniaturen aus der Sammlung Diekamp in Erscheinung, wohingegen der zwischenzeitliche Hamburger Hochschullehrer Jonas Hafner erneut mit zahlreichen Arbeiten aus der Sammlung Döhmen in einem Raum des Alten Museums vertreten ist.

Der tatsächliche Clou dieser so besonderen Ausstellung ist aber die Tatsache, dass sie, gemäß den Bestimmungen der Bauaufsichtsbehörde, von keinem Besucher betreten und somit gesehen werden darf. Allein über den Weg der Medien wenden sich die Organisatoren an die Öffentlichkeit, um auf diese Weise auf den Missstand aufmerksam zu machen, dass ein so geschichtsträchtiges Haus, wie das BIS-Zentrum, nicht mehr für Ausstellungszwecke genutzt werden darf, obwohl es als Vorgängerbau des Museums Abteiberg Kunstgeschichte geschrieben hat. Den Initiatoren der Ausstellung gebührt Respekt, da ihr ehrgeiziges Statement in Form einer künstlerischen Intervention die Augen öffnet dafür, was passieren kann, wenn Kunst und Kultur zunehmenden Sparzwängen zum Opfer fällt und sich somit wie eine „Geschlossene Gesellschaft“ mehr und mehr der Wahrnehmung entzieht.

1976 gemahnte Jonas Hafner mit „Lacrimae – La Crime“ an den kulturellen Verlust durch die Zerstörung der neugotischen Dominikanerkirche in Düsseldorf. Es bleibt zu hoffen, dass keine weiteren „Tränen“ über ein „Verbrechen“ am ebenfalls im neugotischen Stil erbauten Alten Museum in Mönchengladbach und auch anderen kulturellen Einrichtungen auf Landes- oder Bundesebene zu vergießen sind.

Text: Christian Krausch, Geschlossene Gesellschaft »vier Sammler vier Räume« BIS – Zentrum Altes Museum, Mönchengladbach, 2.6. – 1.7.2012 in KUNSTFORUM international BAND 216, 2012 AUSSTELLUNGEN: MÖNCHENGLADBACH, S. 274
Bilder Dokumentation: Kathrin Tillmanns, Susanne Bernds